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Das neue Nachweisgesetz – und "das mit der Digitalisierung setzt sich doch sowieso nicht durch"

Die Schriftformerfordernis in den Änderungen des Nachweisgesetzes soll Arbeitnehmern einen möglichst einfachen und umfassenden Zugang zu allen sie betreffenden Arbeitsbedingungen geben. Erfahren Sie, was nun zu tun ist!

10.08.2022


Bei den ersten Informationen über das Schriftformerfordernis in den Änderungen des Nachweisgesetzes musste ich ein bisschen an Matthias Horx und den Satz „Das Internet wird kein Massenmedium“ denken.

Hintergrund

Der Gesetzgeber war verpflichtet, bis zum 31.07.2022 die Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union ("Arbeitsbedingungenrichtlinie") in deutsches Recht umzusetzen. Dieser Aufforderung ist er mit dem Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union, das zum 1. August 2022 in Kraft treten wird, auch nachgekommen.

Inhalte

Schaut man auf den erklärten Sinn und Zweck der Novellierung, geht es vereinfacht formuliert darum, den Arbeitnehmern einen möglichst einfachen und umfassenden Zugang zu allen sie betreffenden Arbeitsbedingungen zu geben.

So sind zukünftig in den Arbeitsverträgen bspw. folgende Inhalte vorzusehen (aus Neues Nachweisgesetz: Das müssen Arbeitgeber bei Arbeitsverträgen beachten von Dr. Kai Bodenstedt):

  • das Enddatum bei befristeten Arbeitsverhältnissen

  • die Möglichkeit, dass die Mitarbeitenden ihren jeweiligen Arbeitsort frei wählen können, sofern vereinbart

  • die Dauer der Probezeit, sofern vereinbart

  • die Vergütung von Überstunden

  • die Fälligkeit des Arbeitsentgelts und die Form, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird

  • die vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für die Schichtänderungen

  • Einzelheiten zur Arbeit auf Abruf, falls diese vereinbart sind

  • die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen

  • ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung

  • im Grundsatz: Name und Anschrift des Versorgungsträgers der betrieblichen Altersversorgung, falls eine solche gewährt wird

  • das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Mitarbeitenden einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden. Der zweite Halbsatz wird im Ergebnis dazu führen, dass eine Kündigungsschutzklage, die außerhalb der Frist des § 4 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) eingereicht wurde, gemäß § 5 KSchG nachträglich zuzulassen ist, wenn sie innerhalb der im Arbeitsvertrag nachgewiesenen Frist eingereicht wurde

  • ein Hinweis auf die anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen

Doch nicht nur der Arbeitsvertrag ist von den Änderungen betroffen. Auch Themen wie die Entsendung von Mitarbeitern, wenn diese über 4 Wochen hinausgeht und andere Gesetze wie das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sind von der Neuregelung betroffen.

Streitpunkt

So sehr die hinter der Richtlinie stehende Idee von vielen Kommentaren geteilt wird, so sehr stören sich die allermeisten Kommentare am „Schriftformerfordernis“ im neu formulierten §2 Absatz 1 Satz 1 des Nachweisgesetzes: „Der Arbeitgeber hat die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Fristen des Satzes 4 schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.“  Die Kritik richtet sich vor allem daran, dass anstelle der von der EU-Richtlinie geforderten Textform ("Der Arbeitgeber stellt jedem Arbeitnehmer die gemäß dieser Richtlinie erforderlichen Informationen schriftlich zur Verfügung. Die Informationen sind in Papierform oder – sofern die Informationen für den Arbeitnehmer zugänglich sind, gespeichert und ausgedruckt werden können und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält – in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen und zu übermitteln." Artikel 3 der EU-Richtlinie 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union). Die meisten Verfasser sehen im deutschen Sonderweg eine nicht mehr zeitgemäße Wende weg von der Digitalisierung (für viele bspw. Prof. Dr. Gregor Thüsing in „Papier nach Südafrika").

Für eine Übergangszeit wird auch die Fristregelung kritisch gesehen, nach der der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer innerhalb von 7 Tagen die umfassenden Arbeitsbedingungen zur Verfügung zu stellen hat, sollte dieser sie anfordern. Aufgrund der Vielzahl der im Nachweisgesetz genannten neuen Anforderungen gehen einige Verfasser (als Beispiel siehe bitte Dr. Kai Bodenstedt) davon aus, dass bis zu 90 % der bestehenden Arbeitsverträge angepasst werden müssen, was zu einem erheblichen Aufwand in Personalabteilungen führen wird.

Was ist zu tun?

Für die Personalabteilungen bleibt zunächst nur die Möglichkeit, möglichst schnell die bestehenden Arbeitsvertragsvorlagen auf die neuen Anforderungen hin zu überprüfen und – sehr wahrscheinlich – zu ergänzen. Denn Versäumnisse werden mit Bußgeldern bis zu 2.000 Euro bestraft.

Wie sehen Sie die Situation? Ist diese Novellierung auch für Sie eher ein „Schritt zurück“ oder empfinden Sie die Neuerungen eher als Klarheit bringende Veränderung? Melden Sie sich einfach unter michael.kleine-beckel@tserv.de! Gerne diskutieren wir dieses Thema mit Ihnen.


Haben Sie Fragen zu diesem Thema? Dann kontaktieren Sie mich gerne.

Michael Kleine-Beckel | HR-Experte | Michael.Kleine-Beckel@team-con.de
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