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Die Chroniken der Zeiterfassung – kein Fantasyroman, sondern Realität. Was sich seit dem Urteil des EuGH getan hat!

Seit dem vielbeachteten und vieldiskutierten Urteil des EuGH zum Thema „Zeiterfassung von Mitarbeitern“ ist einige Zeit vergangen. Doch was hat sich seitdem eigentlich getan? Der Versuch einer Einordnung.

12.05.2021


Seit dem vielbeachteten und vieldiskutierten Urteil des EuGH zum Thema „Zeiterfassung von Mitarbeitern“ ist einige Zeit vergangen. Doch was hat sich seitdem eigentlich getan? Der Versuch einer Einordnung.

> Urteil vom 14. Mai 2019

Am 14. Mai 2019 hat der Europäische Gerichtshof mit dem Urteil C-55/18-CCOO für eine Lawine in der personalwirtschaftlichen Presse gesorgt. Das „Ende der Vertrauensarbeitszeit“ wurde postuliert und um die rechtliche Einordnung darüber gestritten. Muss der Gesetzgeber nun Regelungen aufstellen, dass die Arbeitszeiten aufgezeichnet werden müssen, oder ergibt sich eine solche Regelung direkt aus dem Urteil des EuGH?

> Urteil vom Februar 2020

Festzustellen bleibt, dass die Gerichte nach allen vorliegenden Informationen von Klagewellen verschont geblieben sind. Fast untergegangen ist in diesem Zusammenhang ein Urteil des Arbeitsgerichts Emden aus dem Februar 2020 (2 Ca 94/19). In diesem hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass seiner Überzeugung nach das Urteil des EuGH im vorliegenden Verfahren direkt anzuwenden sei.

Das führte in dem strittigen Sachverhalt dazu, dass die durch den Arbeitnehmer schlüssig dargelegten Arbeitszeiten durch den Arbeitgeber, mangels zur Verfügung gestellter Zeiterfassung, als zugestanden galten und der Klage des Arbeitnehmers stattgegeben wurde.

Durch diese gerichtliche Anwendung des Arbeitsgerichts Emden bleibt der §16 II 1 ArbZG, der eine Verpflichtung zur Erfassung der Arbeitszeit nur für die über die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit des Arbeitnehmers vorsieht, zwar in seiner rechtlichen Tragweite weiter bestehen, das Arbeitsgericht Emden wendet das Urteil des EuGH aber auch im strittigen Fall direkt auf die Darlegungslast an. Vereinfacht formuliert gilt: Hat der Arbeitgeber keine Möglichkeit zur Verfügung gestellt, die Arbeitszeit zu erfassen, wird er einem schlüssigen Vortrag des Arbeitnehmers nicht mehr erfolgreich widersprechen können.

> Urteil vom September 2020

Fortgeführt und konkretisiert hat das Arbeitsgericht Emden diese Rechtsprechung mit einem Urteil im September 2020 (Az 2 Ca 144/20). In diesem Urteil ging es - anders als im ersten Urteil - um das klassische Thema Vertrauensarbeitszeit. In diesem Urteil begründeten die Richter die direkte Geltung der EuGH-Rechtsprechung mit dem Verweis auf weitere Rechtsprechungen des EuGH aus dem Februar 2018 (C-518/15) und des BAG aus 2019 (5 AZR 425/18).

In dem Rechtsstreit hatte die beklagte Arbeitgeberin der klagenden Arbeitnehmerin eine einfache Zeiterfassung zur Verfügung gestellt, in welcher ausschließlich „Kommt/Geht“-Buchungen mit einem automatischen Abzug für Pausenzeiten (eine Stunde) zur Verfügung gestellt. Aus den Aufzeichnungen des Systems ergab sich eine erhebliche Überstundenanzahl der Klägerin, die diese bei ihrer Kündigung ausgezahlt haben wollte. Die Beklagte verwehrte sich gegen dieses Anliegen mit dem Hinweis, dass es Aufgabe der Klägerin gewesen sei, diese Überstunden durch Freizeitausgleich „abzufeiern“.

Dieser Vortrag war aus Sicht des Arbeitsgerichts Emden nicht ausreichend. Da die Klägerin den Nachweis erbracht habe, dass die Überstunden angefallen seien, gelte eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Ihrer Darlegungspflicht sei die Klägerin durch den Nachweis der Überstunden nachgekommen.

Die Beklagte sei dieser Darstellung auch nicht hinreichend entgegengetreten, weshalb der Vortrag der Klägerin als zugestanden gelte. Das Bestreiten der „Duldung“ der Überstunden durch die Beklagte sei dann nicht mehr hinreichend, da aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 14. Mai 2019 die Darlegungslast im Überstundenprozess modifiziert sei. Abzustellen sei nicht mehr ausschließlich auf die, durch das BAG bislang geforderte, positive Kenntnis der Überstunden, sondern darauf, ob dem Arbeitgeber eine solche Kenntnisnahme möglich gewesen sei. Diese Frage hat das Arbeitsgericht Emden bejaht und damit der Klage vollumfänglich stattgegeben.

Aussitzen ist keine gute Idee

Ohne eine rechtliche Würdigung dieser Urteile vornehmen zu wollen, wird deutlich, dass ein reines „Abwarten“ bis der Gesetzgeber eine endgültige Klärung herbeigeführt hat, nicht das beste Vorgehen zu sein scheint.

Erschwerend kommt hinzu, dass die vergangenen Monate die Arbeitswelt in einer Hinsicht drastisch verändert haben: Für viele Mitarbeiter ist Homeoffice gelebte Realität. Gerade in diesen Konstellationen ist es für viele Personen aber schlicht nicht möglich, firmeninterne Zeiterfassungssysteme zu nutzen. Damit kommt zu der grundsätzlichen Notwendigkeit einer Zeiterfassung auch noch die technische Voraussetzung, dass diese möglichst auch von zu Hause – bestenfalls von überall – möglich sein muss. Kurz zusammengefasst bedeutet dies:

  • Zum einen sollten Arbeitgeber möglichst zeitnah für alle Arbeitnehmer die Möglichkeit schaffen, die Arbeitszeiten über eine einfache Oberfläche, möglichst mobil, zu erfassen.
  • Und zum zweiten sollten Führungskräfte die anfallenden Überstunden kontrollieren und ggf. auf deren Abbau drängen.

Als T.CON können wir gemeinsam mit Ihnen heute sicherstellen, dass für beide Anforderungen überzeugende Lösungen vorhanden sind, sowohl in SAP SuccessFactors als auch in der SAP-OnPremise-Technologie.

In SuccessFactors können Mitarbeiter ihre Zeiten erfassen und Führungskräfte diese jederzeit einsehen. Damit ist sichergestellt, dass die Zeiten nicht, wie in dem durch das Arbeitsgericht Emden zu entscheidenden Fall, „aus dem Ruder“ laufen.

Erfassungsmaske

Für Unternehmen, die noch kein SuccessFactors einsetzen oder dieses noch nicht einsetzen wollen, bieten Fiori- und Webdynpro-Oberflächen die Möglichkeit für Mitarbeiter, Zeiten zu erfassen.

Übersicht der einzelnen PersonÜbersicht der einzelnen Person
Fiori Zeitereignisse – bspw. Clock-In/Clock-OutFiori Zeitereignisse – bspw. Clock-In/Clock-Out
Fiori AppFiori App

Führungskräfte können über Fiori jederzeit Auswertungen aufrufen, welche ihnen die aktuellen Zeitsalden der Mitarbeiter aufzeigen.

Die Einführungsaufwände für alle diese Oberflächen sind überschaubar und kalkulierbar. Die Anwendungen schaffen für den Arbeitgeber in jedem Fall die Sicherheit, seinen Verpflichtungen nachgekommen zu sein. Darüber hinaus bieten sie Führungskräften einfache Oberflächen, um Daten jederzeit einsehen und bewerten zu können.

Sie haben Fragen, welche Lösung für Sie die richtige ist? Dann lassen Sie uns ins Gespräch kommen – jederzeit gerne per Mail oder im persönlichen Gespräch.

 

Weitere interessante Informationen zum Thema:

Fragen & Antworten zum EuGH-Urteil

https://www.etl-rechtsanwaelte.de/aktuelles/das-urteil-des-eugh-zur-arbeitszeiterfassung-eugh-urt-v-14052019-c-5518-fragen-und-antworten

Urteil des Arbeitsgerichts Emden aus dem Februar 2020 (Zusammenfassung)

https://www.haufe.de/personal/arbeitsrecht/arbeitszeiterfassung-gerichte-ueberholen-die-politik_76_516492.html

Werden Arbeitszeiterfassungssystem zur Pflicht?

https://www.humanresourcesmanager.de/news/arbeitsrecht-ist-ein-arbeitszeiterfassungssystem-schon-jetzt-pflicht.html

Aktualisierung: Das LAG Niedersachsen hat mit Urteil vom 6. Mai 2021 die oben beschriebene Entscheidung des Arbeitsgerichts Emden aus Februar 2020 aufgehoben (AZ: 5 SA 1292/20). Das Landesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass der EuGH keine Kompetenz zur Entscheidung über Fragen der Vergütung, sondern ausschließlich über Fragen der arbeitsschutzrechtlichen Beurteilung von Arbeitszeit auf Grundlage der Arbeitszeitrichtlinie besitze. Darauf könne das Arbeitsgericht Emden aber dann keine Entscheidung zur Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess aufbauen (siehe hierzu auch Stefan Lochner in "Überstundenprozess: Gibt es eine Kehrtwende?" in HRM am 31.05.2021), weshalb die ursprüngliche Klage abzuweisen sei. Aufgrund der grundlegenden Bedeutung der Entscheidung hat das LAG Niedersachsen die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Unabhängig von den Ausführungen im oben erwähnten Artikel bleibt abzuwarten, wie Entscheidungen von Arbeitsgerichten bewertet werden, in denen ein Arbeitgeber keine Zeiterfassung zur Verfügung stellt und der Arbeitnehmer auf Basis von eigenen Aufzeichnungen die Auszahlung von Überstundenvergütungen verlangt. Bei einer solchen Nähe zu dem durch den EuGH entschiedenen Sachverhalt dürften die Entscheidungen spannend werden.


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Michael Kleine-Beckel (Autor) | HR-Experte | Michael.Kleine-Beckel@team-con.de
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